Bulgariens Parlamentswahl 1990 – Wenn die Falschen Wahlen gewinnen


Ein Gastbeitrag von William Blum

1990 gewann die Bulgarische Sozialistische Partei die Parlamentswahl in dem östlichen Balkanland. Doch für die USA gewannen mit den gewendeten Kommunisten die falschen Kräfte. The Heartland-Blog dokumentiert als Dreiteiler das Kapitel „Kommunisten lehren, worum es in der Demokratie geht“ aus dem Buch „Zerstörung der Hoffnung: Bewaffnete Interventionen und des CIA der USA seit dem 2. Weltkrieg“ des ehemaligen US-Außenamtsmitarbeiters William Blum.

Für amerikanische antikommunistische kalte Krieger, für bulgarische antikommunistische kalte Krieger hätte es nicht vielversprechender aussehen können. Der Kalte Krieg war vorbei. Die Kräfte der westlichen Zivilisation, Kapitalismus und Güte hatten gewonnen. Die Sowjetunion war kurz davor, auseinanderzufallen. Die kommunistische Partei in Bulgarien fiel in Ungnade. Ihr diktatorischer Führer für 35 Jahre wurde wegen Machtmissbrauchs verfolgt. Die Partei hatte ihren Namen geändert, aber das würde niemanden zum Narren halten. Und das Land hielt seine erste Mehrparteienwahl seit 45 Jahren ab. Die Kommunisten gewannen die Wahl.

Für die Antikommunisten war der Schmerz unerträglich. Sicherlich war ein monströser kosmischer Fehler gemacht worden, ein Fehler, dem es nicht erlaubt sein würde, zu bestehen. Er sollte nicht und er würde nicht. Washington hatte früh sein Interesse zum Ausdruck gebracht. Außenminister James Baker wurde der hochrangigste amerikanische Beamte, der Bulgarien seit dem Zweiten Weltkrieg besuchte. Sein offizieller Arbeitsplan sagte, dass er in Bulgarien war, um „sich mit Führern der Opposition zu treffen, sowie mit Regierungsbeamten.“ „Üblicherweise“, so notierte die New York Times, „wird es andersherum aufgelistet.“ Baker war schwer beschäftigt bei seinen Gesprächen mit der Opposition über politische Strategien und wie man eine Wahl organisiert. Er hielt auch eine Ansprache bei einem Straßenumzug, der von Oppositionsgruppen organisiert wurde, wobei er die Menge lobte und ermutigte. Auf dem Bulgarien-Profil des Außenministeriums, das an Reporter, die mit Baker reisten, ausgehändigt wurde, stand unter der Überschrift „Regierungsform“ geschrieben: „Im Übergang.“[1]

Im Mai, drei Wochen vor dem Tag der Wahlen, brach wegen der Behauptungen des Führers der wichtigsten Oppositionsgruppe ein Tumult aus. Petar Beron, Sekretär der Union der Demokratischen Kräfte (UDK), einer Koalition aus 16 Parteien und Bewegungen, sagte, dass bei den Besuchen der UDK in Europa und den Vereinigten Staaten viele Politiker zugesagt hatten, dass sie einem sozialistischen Bulgarien keinen Beistand leisten würden. Dies würde gelten, selbst wenn die Bulgarische Sozialistische Partei – die neu benannte Kommunistische Partei – die Wahlen fair gewinnen würde. Beron sagte, dass:

„Westliche Führer bleibende Kontakte mit Regierungen wünschen, die Demokratien und Wirtschaften im westlichen Stil aufbauen. Der britische Außenminister, Douglas Hurt, war besonders unnachgiebig. Er sagte, er entwerfe eine Erklärung, mit der er vor die Europäische Gemeinschaft gehen würde, um den restlichen sozialistischen Regierungen in Osteuropa die Hilfe zu verweigern.“ [2]

Zwischenzeitlich ließ die Amerikanische Stiftung für Demokratie, Washingtons speziell erschaffenes Double für den CIA […] in diesem Falle hauptsächlich mit Geldern von der Agentur für Internationale Entwicklung – einige 2 Mio. Dollar nach Bulgarien hineinfließen, um den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, einen Prozess, den die Nationale Stiftung für Demokratie „Demokratie fördern“ nennt: Dies ist so, als würde eine fremde Macht mehr als 50 Mio. Dollar in eine amerikanische Wahlkampagne einspritzen. Ein wichtiger Empfänger dieser Freigiebigkeit war die Zeitung der oppositionellen Union der Demokratischen Kräfte Demokratzia, die Zeitungspapier im Wert von 233.000 Dollar erhielt, „um es zu erlauben, für die Zeit bis zu den nationalen Wahlen ihre Auflage und ihre Verbreitung zu vergrößern.“ Die UDK selbst bekam weitere 615.000 Dollar an amerikanischen Steuerzahlergeldern für „lnfrastrukturunterstützung und Parteischulung“, „materielle und technische Unterstützung“ und „Nach-Wahl-Beistand für das Parteiaufbauprogramm der UDK.“[3]/[4]

Die Vereinigten Staaten machten wenig Anstalten, ihre Parteinahme zu verbergen. Am 9. Juni, dem Tag vor dem Wahltag, erschien der US-Botschafter in Bulgarien, Sol Polansky, auf der Rednertribüne eines UDK-Umzugs. Polansky, dessen frühe Regierungskarriere nachrichtendienstliche Forschung mit einbezog, war ein Mann, der mehr als eine belläufige Bekanntschaft mit dem CIA gehabt hatte. Darüber hinaus hatte das Außenministerium einige Tage zuvor den ungewöhnlichen Schritt ergriffen, öffentlich die bulgarische Regierung wegen dem zu kritisieren, was sie die ungerechte Verteilung der Ressourcen an Nachrichtenstationen nannte, speziell Zeitungspapier für oppositionelle Zeitungen, so, als gäbe es dies auch nicht in den Vereinigten Staaten und jedem anderen Land in der Welt. Die bulgarische Regierung antwortete, dass die Opposition Zeitungspapier bekommen hatte und Zugang zu Rundfunkstationen, entsprechend der Absprache zwischen den Parteien, und fügte hinzu. dass viele der Vorteile der Sozialistischen Partei, besonders ihre finanziellen Reserven. aus der Zahl von einer Million Mitgliedern der Partei resultierten. Etwa ein Neuntel der bulgarischen Bevölkerung. Die Regierung hatte weiterhin die Druckerei zum Veröffentlichen der UDK-Zeitung gestellt und der Oppositionskoalition das Gebäude gegeben, von dem aus sie ihre Operationen leiten konnte.[5]

Die Führung der Sozialisten angesichts der zerbröckelnden Wirtschaft machte die UDK perplex, aber die Bulgarische Sozialistische Partei bezog das meiste ihrer Unterstützung von Pensionären, Landarbeitern und der industriellen Arbeiterschaft, die zusammen einiges über die Hälfte der wahlberechtigten Bevölkerung repräsentierten.[6] Diese Gruppen hatten die Neigung, die BSP mit Stabilität zu assoziieren. Die Partei schlug Kapital daraus, indem sie auf die katastrophalen Ergebnisse – besonders die Arbeitslosigkeit und die Inflation – der „Schocktherapie“ freien Unternehmens in Russland hinwiesen.[7] Obwohl die drei wichtigsten Parteien alle beabsichtigten, sich auf eine Marktwirtschaft hinzuzubewegen, bestanden die Sozialisten darauf, dass die Veränderungen vorsichtig kontrolliert sein mussten. Wie dies in der Praxis aussehen würde, wenn die BSP im Amt wäre und in einer extrem kapitalistischen Welt leben müsste, konnte nicht vorhergesagt werden. Was jedoch sicher war, war, dass es keine Möglichkeit gab, dass eine Partei, die sich „Sozialistisch“ nannte, Mädchenname „Kommunistisch“, und die sich kürzlich mit der Sowjetunion vermählt hatte das Vertrauen und die Unterstützung des Westens gewinnen konnte.

Wie sich nach dem zweiten Wahlgang herausstellte, hatten die Sozialisten etwa 47% der Stimmen und 211 Sitze in dem 400-Sitze-Parlament (der Großen Nationalversammlung) gewonnen, gegen die 36% und 144 Sitze der UDK. Unmittelbar nach dem ersten Wahlgang ging die Opposition auf die Straße mit Beschuldigungen wegen Betrug und rief „Sozialistische Mafia!“ und „Wir werden nicht für die Roten arbeiten!“ Jedoch die europäischen Wahlbeobachter hatten gegenteilige Ansichten. „Die Resultate […] werden den Willen des Volkes widerspiegeln“, sagte der Leiter der britischen Beobachterdelegation. „Wenn ich eine Wahl manipulieren wollte, dann wäre es einfacher, dies in England zu tun als in Bulgarien.“

„Wenn die Opposition die Ergebnisse als manipuliert brandmarkt, dann entspricht das nicht dem, was wir gesehen haben“, erklärte ein Delegierter des Europarates. Ein weiterer westlicher Beobachter wies die Behauptungen der Opposition als „Saure Trauben“ zurück.[8] „Oberfaul“ war der Ausdruck, den ein englisches Parlamentsmitglied wählte, um Behauptungen von ernster Fälschung zu beschreiben. Er behauptete, dass „das Durchführen der Abstimmung extrem fair war. Es gab nur ganz kleine Vorfalle, die übertrieben wurden.“ Die Opposition scheint eine ziemlich schlechte Verliererin zu ein“ – schlussfolgerte ein westlicher Diplomat.[9]

Diese Meinung wurde von vielen hundert Beobachtern geteilt Diplomatie und Parlamentariern aus Westeuropa. Nichtsdestotrotz waren die meisten amerikanischen Beobachter nicht sehr glücklich. Sie behaupteten, dass Furcht und Einschüchterung das Wahlergebnis beeinflussten, da „das Vermächtnis von 45 Jahren totalitärer Herrschaft“ „psychologischen“ Druck auf die bulgarischen Wähler erzeugt hatte. „Jenseits der Aufzeichnungen habe ich echte Probleme damit“, sagte einer von den Amerikanern. Gefragt, ob der Bericht seines Teams so kritisch gewesen wäre, wenn die Opposition gewonnen hätte, antwortete er: „Das ist eine gute Frage.“[10]

Mitglieder der britischen parlamentarischen Beobachtergruppe taten das gegenüber den Reportern damit ab, dass das Abstimmen durch Einschüchterungen und anderen Übeltaten verfälscht war. Die meisten Klagen waren entweder „nichtssagend“ oder unmöglich nachzuweisen, so sagten sie. „Als wir fragten, wo denn Einschüchterungen stattgefunden hatten, dann war es immer das nächste Dorf“, sagte Lord Tordoff.[11]

Vor der Wahl hatte der sozialistische Premierminister Lukanow für eine Koalition mit Oppositionsparteien für den Fall plädiert, dass seine Bulgarische Sozialistische Partei die Wahl gewinnen würde. „Die neue Regierung“, sagte er, „braucht das breiteste mögliche Maß an öffentlicher Unterstützung, wenn wir die notwendigen Veränderungen durchbringen wollen.“[12] Nun siegreich, wiederholte er den Ruf nach einer Koalition. Aber die UDK wies das Angebot zurück. [13] Es gab jedoch Elemente innerhalb der BSP, die sich ebenfalls einer Koalition entgegenstellten.

Die Opposition lehnte es ab, das Ergebnis der Wahl zu akzeptieren. Sie befand sich mit der Regierung im Krieg. Straßendemonstrationen wurden tägliche Vorkommnisse, als UDK-Anhänger, unterstützt von einer großen Anzahl von Studenten, Barrikaden bauten und den Verkehr blockierten und Studenten eine Welle von Streiks und Sit-lns vom Zaune brachen. Viele der Studenten handelten als ein Teil des Verbandes von Unabhängigen Studentenvereinigungen, die vor der Wahl gebildet worden waren. Der Vorsitzende der Studentengruppe, Aptanas Kirchew, behauptete, dass die Organisation Belege für Wahlmissbräuche hätte, die baldigst publik, gemacht würden, was aber niemals geschah.[14]

Die Studentenbewegungen befanden sich unter den Empfängern von Geldern der Nationalen Stiftung für Demokratie. Sie erhielten 100.000 Dollar, „für die Infrastruktur des Verbandes der Unabhängigen Studentengesellschaften Bulgariens, um ihren Einflussbereich in Vorbereitung für die Nationalwahlen zu verbessern.“ Die Studenten bekamen Faxgeräte, Video- und Kopierausrüstung, Lautsprecher, Druckausrüstung und Drucktechniken zu Niedrigpreisen“, sowie die Hilfe von verschiedenen polnischen Ausbildern, amerikanischen Rechtsberatern und anderen Experten – das beste, was Geld der Nationalen Stiftung für Demokratie kaufen kann.[15]

Petar Mladenov. Bildquelle: Wikipedia

Petar Mladenov. Bildquelle: Wikipedia

Der erste Sieg der Protestbewegung kam am 6. Juli , weniger als ein Monat nach der Wahl, als Präsident Mladenow gezwungen war, nach einer Woche Proteste – einschließlich einem Hungerstreik vor dem Parlament – zurückzutreten, wegen seines Handelns bei einer Anti-Regierungs-Demonstration im vorangegangenen Dezember. Sein Rücktritt erfolgte, nachdem die UDK ein Videoband freigegeben hatte, das Mladenow zeigte, wie er zu seinen Kollegen sprach und zu sagen schien: „Sollten wir nicht die Panzer hereinbringen?“ Ein UDK-Beamter sagte über den Rücktritt: „Wir sind ziemlich glücklich über all das. Es hat die Sozialisten ins Chaos gestürzt.“[16]

[1] New York Times, 11.02.1990.
[2] The Guardian (London), 21.05.1990.
[3] National Endowment for Democracy, Washington D.C., Annual Report, 1990 (01.10.1989–30.09.1990), S 1–24. Die Gelder der NED umfassten auch 111.000 Dollar für eine internationale Gruppe von Wahlbeobachtern.
[4] Los Angeles Times, 03.12.1990.
[5] New York Times, 06.06.1990; sowie New York Times, 11.02.1990.
[6] The Guardian (London), 09.06.1990.
[7] Luan Troxel: Socialist Persistence in the Bulgarian Elections of 1990–1991, in: East European Quarterly, 01/1993, S. 412-414.
[8] Los Angeles Times, 12.06.1990.
[9] The Guardian (London), 12.06.1990.
[10] Los Angeles Times, 12.06.1990; The Times (London), 12.06.1990; The Guardian (London), 12.06.1990.
[11] The Times (London), 20.06.1990.
[12] The Guardian (London), 28.05.1990.
[13] The Times (London), 20.06.1990.
[14] The Times Higher Education Supplement (London), 29.06.1990.
[15] NED Annual Report, 1990, a. a. O., S. 6–7, 23.
[16] The Times (London), 07.07.1990.

William Blum arbeitete bis 1967 im Dienst des US-Außenministeriums und verließ in dem Jahr das Amt wegen des Vietnamkriegs. Er arbeitet als Schriftsteller. Das Buch ist hier erwerbbar – die Originalversion hier hier geht es zur Verlagsseite

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