Bulgariens Parlamentswahl 1990 – Wenn die Falschen Wahlen gewinnen (Teil 3 und Schluss)


Ein Gastbeitrag von William Blum

1990 gewann die Bulgarische Sozialistische Partei die Parlamentswahl in dem östlichen Balkanland. Doch für die USA setzten sich mit den gewendeten Kommunisten die falschen Kräfte durch. Nach den ersten beiden Teilen erscheint hiermit der dritte Teil und Schluss des The Heartland-Blog-Dreiteilers.

Am 23. November überlebte Lukanow (gerade eben so) ein Misstrauensvotum, das dazu führte, dass die UDK aus dem Parlament stürmte und verkündete, dass sie für eine „undefinierte Periode“ nicht zurückkehren würde.“ Drei Tage später leitete die Podkrepa-Gewerkschaftsorganisation einen „Generalstreik“ in die Wege, der nicht von der Mehrheit der Arbeiter der Nation unterstützt wurde.[1]

Zwischenzeitlich gingen die Studentenproteste weiter, obwohl einigen ihrer Forderungen bereits teilweise entsprochen worden war. Die Sozialistische Partei hatte zugestimmt, dem Staat 57% ihres Vermögens zurückzuerstatten, entsprechend den Subventionen, die sie unter dem vorherigen Regime aus dem Staatshaushalt erhalten hatte. Und der ehemalige Parteiführer, Todor Schiwkow, stand bereits vor Gericht.

Todor Schiwkow, bulgarischer Staatschef von 1954 bis 1989 (Bildquelle: Wikimedia)

Todor Schiwkow, bulgarischer Staatschef von 1954 bis 1989 (Bildquelle: Wikimedia)

Einige Oppositionsführer waren nicht glücklich mit der anscheinend maßlosen Studentenprotestbewegung. Der UDK-Führer Petar Beron drängte, dass – da Bulgarien sich auf der Straße zur parlamentarischen Demokratie eingeschifft hatte – die Studenten der Demokratie eine Chance geben und nicht auf Sit-lns zurückgreifen sollten. Und ein Parlamentsmitglied der UDK fügte hinzu, dass „die Sozialisten die politische Arena auf legale Weise verlassen sollten. Sie sollten nicht durch Revolution dazu gezwungen werden, es zu tun.“ Studentenführer wiesen diese Bemerkungen eigenwillig zurück.[2]

Das Ende für Andrei Lukanow kam am 29. November, als der Streik auf Mitglieder der Medien übersprang und Tausende von Ärzten, Krankenschwestern und Lehrern Demonstrationen inszenierten. Er kündigte an, dass – da sein vorgeschlagenes Wirtschaftsprogramm nicht die breite Unterstützung, um die er gebeten hatte, bekommen hatte – er beschlossen hatte, dass es „zwecklos sei, im Amt zu bleiben.“ Eine Übergangskoalition würde aufgestellt werden, die zu neuen allgemeinen Wahlen fuhren würde.[3]

Durch die Periode von Protest und Tumult hindurch fuhren die Vereinigten Staaten fort, finanziellen Beistand an verschiedene Oppositionsgruppen zu geben und „gaben Ratschläge, wie Druck auf gewählte Führer ausgeübt wird.“ Der Vizepräsident der Podkrepa-Gewerkschaft sagte unter Bezugnahme auf amerikanische Diplomaten: „Sie wollten uns helfen, und sie haben geholfen mit Rat und Strategie.“ Diese Solidarität ließ die Hoffnung auf zukünftige amerikanische Hilfe wachsen. Konstantin Trenchew, der Chef der Podkrepa, nun anscheinend wieder aus dem Untergrund heraus, bestätigte, dass den Oppositionsaktivisten mehr US-Beistand zugesichert werden würde, wenn sie es schafften, den ehemaligen Kommunisten die Macht abzuringen.[4]

Diese Hoffnungen mögen mit Naivität so viel zu tun gehabt haben wie mit der amerikanischen Unterstützung für die UDK. Die Gleichung der bulgarischen Intellektuellen lautete 1990: Wenn die kommunistische Regierung schlecht war, muss alles schlecht gewesen sein; wenn alles schlecht gewesen war, muss ihr Hauptfeind vollkommen gut gewesen sein. Sie glaubten so Dinge wie: Amerikanische Regierungsführer könnten nicht im Amt bleiben, wenn sie die Leute anlügen, und dass Berichte über Obdachlosigkeit und die Abwesenheit einer nationalen Gesundheitsversicherung in den Vereinigten Staaten lediglich „kommunistische Propaganda“ waren.

Jedoch sagte der neue amerikanische Botschafter, H. Kenneth Hill, dass Washingtoner Beamte bulgarischen Politikern klar gemacht hatten, dass zukünftige Hilfe von demokratischen Reformen und der Entwicklung eines Planes für den wirtschaftlichen Aufschwung abhingen, der für westliche Geber akzeptabel wäre, zu den gleichen Bedingungen, wie sie für ganz Osteuropa niedergelegt wurden.

Die bulgarischen Sozialisten, die nicht Washingtons Engagement bezweifelten, den Kapitalismus zu exportieren, beklagten, dass die Vereinigten Staaten zuweilen demokratische Prinzipien verletzt hatten, indem sie gegen die Führung, die das bulgarische Volk gewählt hatte, arbeiteten. Ein reformgeneigter Beamter der sozialistischen Regierung behauptete, dass die Amerikaner auf den Sieg seiner Partei reagiert hätten, als würde sie ein Versagen der US-Politik darstellen. „Die Leute der US-Regierung sind nicht die saubersten moralischen Verfechter der Demokratie hier gewesen“, sagte er. „Was nicht zu Hause getan werden darf, damit kann man in diesem dunklen rückständigen Balkanstaat durchkommen.“ [5]

In den Jahren seither dürfte das bulgarische Volk, insbesondere die Studenten, etwas gelernt haben, da das Land durch das nun vertraute Muster von frei ansteigenden Preisen, dem Ausrangieren von Subventionen auf Grundgüter und Gegenstände, Kürzungen aller Art und Forderungen durch den Internationalem Währungsfonds und die Weltbank, die Gürtel noch enger zu schnallen, gegangen ist. Politisch herrschte Chaos. Die UDK kam bei den nächsten Wahlen an die Macht (die BSP wurde ganz knapp zweite), verlor aber wegen der versagenden Wirtschaft ein Vertrauensvotum im Parlament, sah ihr gesamtes Kabinett zurücktreten, dann den Vizepräsidenten, der warnte, dass sich die Nation auf eine Diktatur zubewegte. Schließlich, im Juli 1993, hinderten Demonstranten den Präsidenten einen Monat lang daran, in sein Büro zu gehen und verlangten seinen Rücktritt.

1994 konnten wir in der Los Angeles Times von ihrem antikommunistischsten Auslandskorrespondenten lesen: Die Lebensumstände sind in der Reform-Ära so viel schlechter, dass die Bulgaren zärtlich auf die „guten alten Tage“ des Kommunismus zurückblicken, als die Hand des Staates die persönliche Freiheit erdrückte, aber sicherstellte, dass die Menschen ein Heim, Beschäftigung und genug zu essen hatten.[6]

Aber für Washingtons Politikmacher war das wichtige – die ideologische Grundlinie – dass der Bulgarischen Sozialistischen Partei nicht die Chance gegeben werden konnte und gegeben werden würde, zu beweisen, dass eine demokratische, sozialistisch orientierte gemischte Wirtschaft in Osteuropa gelingen könnte, während das kapitalistische Modell ringsherum versagte.

[1] The Times (London), 24.11.1990; 27.11.1990.
[2] The Times Higher Education Supplement (London), 10.12.1990.
[3] The Guardian (London), 30.11.1990; The Times (London) 30.11.1990.
[4] Los Angeles Times, 03.12.1990.
[5] Ebenda.
[6] Ebenda, 06.02.1994 – ein Artikel von Carol J. Williams.
[7] Ebenda, 13.06.1991.

William Blum arbeitete bis 1967 im Dienst des US-Außenministeriums und verließ in dem Jahr wegen des Vietnamkriegs das Amt. Er arbeitet als Schriftsteller. Das Buch ist hier erwerbbar – die Originalversion hier hier geht es zur Verlagsseite. Hier geht es zur Homepage des Buches.

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